Dienstag, 16. Juni 2009

Design oder Nichtsign

Es gibt ja so Designpreise für besonders gelungenes Industriedesign, herausragende Harmonie von Ästhetik und Funktion. Recht renommiert etwa der iF Award vom iF Industrie Forum Design. Deren Gold Selection ist auch wahrlich gar schön anzusehen.


Diese Woche nun bin ich im Netz über einen Anblick gestolpert, der mir fast die Sprache verschlug und mir diese eine Frage geradezu entgegenschrie: Wo bitte wird der Antidesignpreis ausgeschrieben, für den man dieses Produkt vorschlagen kann? (Nein, völlig ausgeschlossen, das Bild kann ich hier wirklich nicht einbinden.)

Aber - ich meine - das kann doch niemandem einfach so passiert sein.
Ich hab's: das ist echtes IronieDesign®. Diese wohlkalkuliert prickelnde Dissonanz zwischen HighTech und LowTaste, das ist Kunst! Konsequente Fortführung des in der zeitgenössischen Kunst vorangetriebenen Ausbruchs aus den traditionellen Formen und Ausdrucksmitteln, Befreiung der Kunst aus dem musealen Reservat. Pink als gezielt zweideutige Chiffre subversiver Konsumkritik. Allein diese Speicherkarte: welch ein Symbol!

<Nachtrag>
Habe mich zwischenzeitlich mal etwas bei Fuji umgesehen (alles so schön bunt hier) und bin dort auf den Pressetext zum "Finepix J20 Love Pack" gestoßen. Der Text ist offenbar als immaterieller Bestandteil des Kunstwerks konzipiert - eine interessante cross-mediale Komposition. Raffiniert, wie hier der erste Absatz die ansonsten nur nonverbal transportierte Gender-Thematik des Werks pointiert.
</Nachtrag>

Dienstag, 9. Juni 2009

Die Ente vom Huhn

Noch ein Kult-Geburtstag: heute vor 75 Jahren wurde Donald Duck geboren. Naja, was man so alles als Geburt bezeichnet: eigentlich hatte er an diesem gefeierten Datum seinen ersten öffentlicen Auftritt in dem Siebeneinhalb-Minuten-Filmchen "The Wise Little Hen". Da war - noch recht unspektakulär und in einer nicht gerade schmeichelhaften Nebenrolle - "ein Star geboren".


Die "Geburts"-Jahreszahl 1934 weckt bei mir erstmal ganz andere Assoziationen: Ruhe vor dem Sturm, in der sich ein verheerendes Gewitter zusammenbraut. Das nationalsozialistische Deutschland wirft störende Reste von Gewaltenteilung über Bord. Härte, Stärke, Sieg waren zu Göttern erhoben.
Vor diesem Hintergrund ist das launische Tier ein kleines Zeichen der Menschlichkeit: dass aus jenem Jahr ausgerechnet dieser Verlierertyp überdauert hat, der flugunfähige Pechvogel, Ente statt Adler.

Hier ist die wenig heroische Premiere des Antihelden, der zu einer Ikone der Popkultur werden sollte:

Sonntag, 7. Juni 2009

Bauklötze

Herzlichen Glückwunsch dem Prototypen der kampflosen Computerspiele: Tetris ist 25 geworden. Und hat in dieser Zeit doch einen beachtlichen Kultstatus erreicht.
Zur Feier des Tages vielleicht ein kleines Spiel gefällig?
Viel Spaß!

Donnerstag, 4. Juni 2009

Knockin' on Heaven's Door

Schnappschuss aus meinem Tag: ein paar stille Minuten nach dem Abendessen, ein Sofaplatz, ein Becher Tee, ein Buch...

Drei Leute kamen vor dem Tor des Himmels an. Einer von ihnen, ein sehr gut gekleideter Mann, trug einen großen Sack bei sich. "In diesem Sack", erklärte er, "ist der Reichtum meines ganzen Lebens." Er klopfte liebevoll darauf. "Wenn dieses Sümmchen und ein bisschen geschickte Feilscherei mich nicht durch dieses Tor bringen, dann weiß ich nicht, was sonst. Und um der religiösen Seite auch gerecht zu werden, habe ich auch mein Herz mit hineingelegt, sodass sie alles zusammen haben können, wenn sie wollen. So!"

Die zweite Person war eine fromm aussehende Frau in schlichten abgetragenen Kleidern. Sie trug einen viel kleineren Sack. "Ich habe keinen großen Reichtum gesammelt", sagte sie mit schwacher, abgekämpfter Stimme. "Unser Herr hat uns gesagt, dass wir Schätze im Himmel sammeln sollen, und deshalb habe ich mein Leben im Dienst für andere verbracht."
"Was haben Sie in Ihrem Sack?" wollte der reiche Mann wissen.
"Meine Buchhaltung", erwiderte sie mit bescheidenem Stolz. "Notizbücher, Listen und Kontenbücher, in denen jede gute Tat und jede liebevolle Handlung aufgezeichnet ist, die ich je vollbracht habe. Die werde ich zusammen mit meinem Herzen vorlegen, das ich wie Sie mit hineingelegt habe, für den Fall, dass es nötig sein sollte."

Die dritte Person, ein erschöpft aussehender Bursche, der nur einen Lendenschurz trug und mit leeren Händen kam, ergriff nervös das Wort. "Ich habe nichts mitgebracht", sagte er stockend. "In meinem Leben habe ich weder Reichtümer angesammelt noch mich für andere hingegeben wie Sie, Madam. Aber das schlimmste ist, dass ich auch mein Herz weggegeben habe - ich fürchte, ich werde nicht in den Himmel kommen."


Der reiche Mann und die fromme Frau gingen zusammen voraus zum Tor, kehrten jedoch bald zurück, die Gesichter vor Enttäuschung verfinstert. "Man darf kein Gepäck mit durch das Tor nehmen" sagte der reiche Mann traurig. "Und vor dem Tor dürfen wir unsere Säcke auch nicht zurücklassen", schluchzte die Frau. "Wir müssen sie für immer behalten!"

Der Mann im Lendenschurz sah den beiden nach, wie sie langsam davongingen, dann machte er sich selbst auf zum Himmelstor. Sicher, Gepäck hatte er keines, aber sein Herz war verloren. Welche Hoffnung gab es schon für ihn?

Der Engel, der ihm das Tor öffnete, winkte ihn mit einer tiefen Verbeugung herein und drückte ihm dann etwas in die Hand, das leuchtete und glitzerte wie der vollkommenste Diamant. "Das ist deines, glaube ich", sagte er.


aus "Unterwegs in stürmischen Zeiten" von Adrian Plass.

Montag, 1. Juni 2009

Play me "Old King Cole" (Zeitreise 3)

Wieder mal ein Trip in der Zeitmaschine Movie. Und noch einmal die Entfernung gesteigert: 37 Jahre zurück, mitten in die Peter-Gabriel-Phase von Genesis. Auf der Bühne fünf sympathische Italiener: The Watch, die sichtlich Spaß daran haben, einen Sound zu erzeugen, der in freier Wildbahn längst ausgestorben schien. Alles klingt wie die frühen Genesis, sogar - und das fand ich wirklich faszinierend - Simone Rossettis Stimme.

Ungewöhnlich für eine Coverband: neben dem Nursery-Cryme-Programm bringen The Watch auch eigene Stücke mit, die in diesem Jahrzehnt entstanden sind - und die passen stilistisch nahtlos zwischen die Genesis-Werke. Die Beschreibung ihrer Musik auf Wikipedia trifft ziemlich gut den Live-Eindruck dieses Abends.

Kleine Perle am Rande: die Genre-Klassifizierung in dem Wikipedia-Artikel. Retro-Prog ("Prog" für progressive Rock) - "zurück-fortschrittlich" - ist das nicht schön? Fast so schön wie "Ostwestfalen"...